Montag, 23. September 2013

Kontraste

Das Gefühl kennt sicherlich jeder: Man sitzt in Deutschland, kurz vor der Abreise, und macht sich unglaublich viele Gedanken darüber, was im Ausland auf einen zukommen könnte, ob alles klappt. Lieber nochmal checken, ob der Flug noch steht, haben wir unsere Ausweise, ist es nicht vielleicht doch zu gefährlich in dem fremden Land, was haben wir uns eigentlich dabei gedacht, so eine Reise zu unternehmen?

Samstag morgen. Wir fahren lieber zu früh an den Flughafen, es könnte ja Stau sein. Wir versichern uns mehrfach, dass der Sturm nicht doch über Cancun hängt. Wir bangen um unsere Fahrräder, insgeheim denken wir uns aber, dass eigentlich nicht viel passieren kann, wir haben das Rad ja mit perfekter deutscher Gründlichkeit verpackt. Wir ließen uns mehr als einmal verunsichern, was alles schief gehen könnte. Und Sätze: "Wie, ihr habt noch keine Route? Und wohin fliegt ihr danach?" brachten uns in Erklärungsnot. In mir wuchs in den letzten Wochen wieder größter Respekt vor unserem Vorhaben und natürlich reisen auch Ängste mit: "Was wäre wenn..." Im Laufe unserer Reise kamen mir solche Gedanken schon auch hin und wieder, wenn die Weiterreise in ein neues Land bevorstand. Aber nicht in dem Ausmaß, wie es in Deutschland vom Sofa aus der Fall ist. Immer wieder versuchte ich mich damit zu beruhigen, dass wir doch reiseerfahren genug sind um zu wissen, dass im Ausland alles oft unkompliziert von statten geht. Fehlanzeige. Schon sitze ich wieder vorm Computer google, ob es dort eine Busverbindung gibt oder da einen Supermarkt. Gibt es da eigentlich auch etwas anderes Reis, Bohnen und Tacos zu kaufen? Und unsere Spanischkenntnisse sind eine Katastrophe, ohne Spanisch geht ja in Lateinamerika angeblich garnix.

Wir sind da, unsere Bedenken sind auf ein Minimaß geschrumpft und ab und an grinsen wir schon über unsere "deutschen" Gedanken. Wir hatten uns dann doch wenigstens eine Startrichtung zurechtgelegt, die wir nun aufgrund des Wetters wieder umgeplant haben. Zum Glück hatten wir keine Route! Wäre eh alles umsonst gewesen. Die Räder sind heil, wie sollte es anders sein. Schon am Flughafen war klar, irgendwie geht es schon: Am Gepäckband halten wir Ausschau nach einem Sperrgepäckschalter - keiner zu sehen. Zwischen hunderten TUI-Pauschaltouristen warten wir also auf unser Gepäck. Plötzlich gehen ein Raunen und Aufschreie durch die Menge, als das Gepäckband stehen bleibt. Ich grinse Thomas noch an und sage: "Pass auf, das ist bestimmt wegen den Rädern." Thomas, der wirklich besorgt war, schaut mich mit großen Augen an: "Meinst du wirklich?" - "Nein, Spaß, das glaub ich nicht." Gehe aber dennoch mal schauen... Und dann ging alles ganz schnell: Ich seh einen Karton, rufe Thomas zu: "Scheiße, das sind sie wirklich". Er flitzt zum Gepäckband, zieht einen nach dem anderen unter dem staunenden Blick der Mitreisenden runter, während ich auf den Rest des Gepäcks aufpasse. Natürlich hilft niemand und mehr als einmal ernten wir genervte Blicke, da jemand seinen heiß erkämpften Platz an vorderster Front am Gepäckband freimachen muss. Unter uns Deutschen geht es dann so weiter. Wir rollen mit Gepäckwagen zum Security-Schalter, wo wir sämtliches Gepäck nochmal durch die Röhre schicken müssen. 2 Radkartons, Koffer, Rucksack, 3x Handgepäck. Hinten rein und während der Thomas reinschiebt, flitze ich mit Gepäckwagen vor uns versuche, die Bikekartons auf den Wagen zu kriegen. Da das alles natürlich nicht so schnell geht wie mit normalem Gepäck, wächst hinter uns die Ungeduld. Flugpersonal drängt sich zwischen uns und schieben mal schnell ihre Koffer zwischen unser Gepäck. Der Kapitän versucht, über einen unserer Kartons zu steigen. Ich schwitze vom Schleppen und der fast unmöglichen Logistik auf engstem Raum. Kartons, Koffer, Gepäckwagen, Handgepäck und dazwischen eine Stewardess nach der anderen, die extrem genervt versucht, mit hohen Hacken über unser Gepäck zu steigen. Irgendwann platzt mir der Kragen. Ich bin stinkwütend. Als dann endlich alles wieder auf den Wägen ist, müssen wir noch eine Zollerklärung an einem Schalter abgeben. Die Angestellte hält ein Schwätzchen, wir warten und versperren ungewollt noch immer den Durchgang. Endlich widmet sie sich unserem Zettel und erklärt Thomas, er müsse jetzt noch auf einen grünen Knopf drücken. Ich schaue ungläubig zu, wie Thomas um den Tresen geht, um den Knopf zu erreichen. Er drückt und wir dürfen weitergehen. Nachdem wir dem Pulk der TUI-Urlauber entkommen konnten, wurde es plötzlich gewohnt unkompliziert. Helfer an jeder Ecke, die natürlich ein paar Dollares verdienen möchten, wogegen wir aber nichts einzuwenden haben. Da der Geldautomat nicht funktioniert, zahlen wir in US-Dollar. Geht alles, kein Problem. Wir werden sicher in unserer Unterkunft abgeliefert. Nach ein paar Einkäufen kriegen wir den Gasherd nicht zum Laufen. Dann machen wir uns das Wasser halt in der Mikrowelle warm. Ausgeschlafen und ausgeruht bekommen wir auch den Gasherd am nächsten Morgen in den Griff. Endlich sind wir wieder auf Reisen! Wir sind auch deutsch, mit vielen deutschen Eigenschaften, keine Frage. Uns fällt die Anpassung an andere Länder und Sitten manchmal schwer und wir lernen unterwegs manch deutsche Sitten zu schätzen. Schade nur, dass Mitmenschlichkeit und Hilfsbereitschaft gegenüber Fremden unter uns Deutschen so sind rar geworden. Auch wir nehmen uns da nicht heraus.